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Der Kötztinger Roßtag


1989 veranstaltete die Kaltblut- und Haflingerzüchtervereinigung  den ersten Kötztinger Rosstag. Obwohl der Festzug beim ersten Mal total verregnet war, fand er sehr großen Zuspruch bei den doch zahlreichen Zuschauern. Aus einer Stammtischidee heraus geboren entwickelte sich der Rosstag zu einer festen Institution im Jahresablauf. Mittlerweile hat er sich auf zwei Tage ausgeweitet und findet jedes Jahr am letzten Wochenende im August statt.
Der Rosstag beginnt am Samstagnachmittag mit einem Gottesdienst, wobei sich die Veranstalter in jedem Jahr darum bemühen bereits vor diesem ein Rahmenprogramm anzubieten.



Nach dem nachmittäglichen Feldgottesdienst der passender Weise am Platz des ersten Evangeliums vom Pfingstritt stattfindet und an dem bereits zahlreiche Gespanne teilnehmen, erfolgt der Einzug durch die Straßen der Stadt in die Bierhalle des „Linder- Bräus“. Dort laden die „Rosserer“ zum gemütlichen Beisammensein ein.

Trotzdem es meist ein zünftiger und langer Abend wird, beginnt der Sonntag bereits wieder mit einem musikalischen Frühschoppen beim „Lindner-Bräu". Zudem werden vor der Halle alte Handwerksfertigkeiten z.B. vom Schnitzer, Kirmzäuner, Holzschuhmacher oder auch Schmied vorgeführt. Der Besucher kann auch einem Wagner über die Schulter schauen und erleben, wie ein hölzernes Rad entsteht. Einige dieser früheren Berufe sind mittlerweile ausgestorben, weil überflüssig. Aber es gibt noch Meister oder Gesellen dieser Berufe, die im Ruhestand aus Spaß an der Freude ihr Handwerk noch betreiben. Schade ist allerdings die Tatsache, dass mit dem Aussterben alter Handwerksberufe sehr viel wertvolles Wissen um die Materie, die Techniken und Fertigkeiten verloren geht.



Der Höhepunkt des Rosstages ist dann der große Festzug durch die Stadt unter dem Motto „Landwirtschaft und Handwerk von damals“. Die Kaltblut- und Haflingerzüchtervereinigung versucht damit, die Erinnerung an alte Arbeitsweisen und aussterbende Berufe wach zu halten und nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Dem Besucher wird beim Zuschauen oft erst bewusst, wie schwer zwei oder drei Generationen vor uns noch körperlich arbeiten mussten, um ihr Überleben und Auskommen zu sichern, vor allem in der Landwirtschaft.

Beim Festzug dabei sind etwa 450 Pferde und 150 Wagen, bespannte Maschinen und handbetriebene landwirtschaftliche Geräte. Und es sind tatsächlich viele Wagen und Maschinen, die heute keiner mehr kennt, die von den „Rosserern“ wieder aus der Versenkung geholt und liebevoll restauriert wurden. Vor allem die jüngere Generation kann mit dem Aussehen und dem Gebrauch dieser Geräte oft nichts mehr anfangen. Wer kennt noch einen Gabelwender, eine Mähmaschine oder ein Hakenzylinder und weiß, wie sie funktionieren?

Wer außer den Älteren unter uns weiß heute noch, wie es war, wenn „der Dampf“ zum Dreschen ins Dorf kam? Das war bereits eine Arbeitserleichterung gegenüber dem Dreschen mit Dreschflegeln, das beim Festzug natürlich auch gezeigt wird. Um den großen und schweren Dreschwagen, der durch eine separate Dampfmaschine angetrieben wurde zu bewegen war mindestens ein sehr gut aufeinander eingearbeiteter Vierspänner Pferde manchmal sogar mit vorgespannten Ochsen nötig.




Ochsen hatten in der Regel mehr Zugkraft als Pferde, allerdings waren sie auch viel langsamer, oftmals auch willensstärker und damit schwerer abzurichten und zu kontrollieren. Der Stellenwert eines Ochsen war darum auch nicht so hoch. In den Wirtshäusern gab es darum auch gern Spötteleien der Bauern gegenüber den Häuslern und Gütlern wie beispielsweise: “Süss ist nicht sauer, wer Ochsen hat, das ist kein Bauer“! Tatsache ist, dass sich nur große Bauern Pferde leisten konnten, Kleinbauern, Häusler und Gütler hatten wenn überhaupt nur Ochsen oder Kühe als Zugtiere.

Da beim Rosstag möglichst alles original aussehen soll, wird dort noch das Fahren mit dem Stoßzügel gezeigt. Dabei werden die Tiere nur mit einem Zügel gelenkt, was seit den 50er Jahren im Straßenverkehr verboten ist. Beim Anspannen an eine alte Maschine wird größter Wert darauf gelegt, dass die Fahrer auch Arbeitsgeschirre benutzen, um authentisch zu sein. Die prunkvollen Festgeschirre, wie wir sie von anderen Festzügen her kennen, beispielsweise vom Oktoberfestzug in München, sind den Ehrenkutschen vorbehalten.

Um einen Festzug dieser Art präsentieren zu können, steckt viel Arbeit, Zusammenhalt, Liebe zum Tier und Wissen um frühere und vergangene Arbeitsweisen dahinter. 1981 war die Kaltblut- und Haflingerzüchtervereinigung in Kötzting ins Leben gerufen worden.

Seitdem hat sich mit dem und durch den Verein sehr viel getan. Die Anzahl der Pferdehalter und -züchter schnellte sprunghaft in die Höhe, nicht nur erfahrene Pferdeleute, sondern auch absolute Neulinge auf dem Gebiet fanden über den rührigen Verein zum Pferd. Besonders der „Fuhrmannsnachwuchs“ zeigt sich begeistert von der Arbeit mit den Tieren. „Rosserer“ aus dem gesamten Bayerischen Wald gehören der Institution an.




Viele tausend Zuschauer säumen am letzten Augustsonntag die Straßen der Stadt Bad Kötzting, um diese besondere Atmosphäre miterleben zu können. Wiehernde Pferde, das Klappern der Hufe auf dem Pflaster, ein lang gezogenes „Wiah“ durch den Fuhrmann, um seine Tiere anzutreiben, oder ein „Wüsta“ oder „Hott“ um ihnen die Richtung zu zeigen, machen den Rosstag in Bad Kötzting zu einem besonderen Ereignis, in das man sich sofort eingebunden fühlt.

Verschiedene Blaskapellen begleiten den Zug und sorgen für die passende musikalische Umrahmung. So mancher Wagen hat auch für die Zuschauer etwas anzubieten. So dürfen sie beispielsweise die frisch auf dem Wagen ausgerührte Butter probieren, oder vom Most kosten.

Beim Festzug ist vom Kind mit seinem Pony, vom schweren französischen Percheron, von Reitergruppen über die Hochzeitskuh und ein Ochsengespann bis hin zum Esel alles vertreten, was annähernd mit Pferden etwas zu tun hat. In der Hauptsache wird man allerdings Haflinger, Noriker und Süddeutsche Kaltblüter zu sehen bekommen, da diese Region eines der Hauptzuchtgebiete für diese Pferde darstellt.
Und da der Durst natürlich nicht zu kurz kommen darf, lässt man den Sonntag nach getaner Arbeit beim Festzug gemütlich bei einer Maß Bier und bayerischer Blasmusik in der „Lindner- Festhalle“ ausklingen. (Text: Isabell Dachs)