Gespannfahren im Landkreis Cham ist
ausdrücklich erwünscht
Große
Bestürzung rief im Landkreis Cham ein schwerer Verkehrsunfall bei Gotzendorf
Mitte Januar 2025 hervor, bei dem ein Autofahrer auf eine Kutsche ungebremst
aufgefahren war. Wir haben die Hintergründe zusammengefasst und geben Tipps, um Unfälle zu vermeiden.
Auch Landrat Franz Löffler reagierte betroffen über den Unfall, bei dem vier Menschen teils schwer verletzt wurden, während das Pferd nicht überlebte. Er sprach sich jedoch deutlich gegen ein unmittelbar gefordertes Verbot für Pferdekutschen aus und verwies auf die geringe Zahl an Verkehrsunfällen mit Pferden, was nicht zuletzt an den Pferdehaltern liege, die mit großer Sachkunde, Verantwortung und generationenübergreifender Erfahrung am Verkehr teilnehmen.
Laut Polizeihauptkommissar Thomas Schmidt von der Polizeiinspektion Bad Kötzting war für den Unfall nach derzeitigem Ermittlungsstand weder ein Fehlverhalten des Kutschenfahrers noch eine unvorhersehbare Reaktion des Pferdes ursächlich. So war der Unfall der tief stehenden Sonne geschuldet, wodurch der Autofahrer geblendet worden war.
Auch Schmidt bestätigte die vergleichsweise geringe Zahl an Verkehrsunfällen mit Beteiligung von Pferdegespannen im Landkreis. In den vergangenen fünf Jahren war es nur dieser eine im PI-Bereich, in der gesamten Oberpfalz waren zwei weitere zu verzeichnen. Bei rund 2640 gemeldeten Pferden im Landkreis Cham, wobei ein Großteil davon auch als Verkehrsteilnehmer unterwegs sein dürfte, kann tatsächlich nicht von einer hohen Unfallträchtigkeit gesprochen werden.

Kutschenfahrer bei der Ausbildung am Fahrlehrgerät.
Die Vorsitzenden unserer Kaltblut- und Haflingerzüchtervereinigung Bayerischer Wald, Andreas Vogl und Hans Hofmann, bekräftigten ebenfalls die Aussage von Landrat Löffler. Unsere Pferdehalter sind sehr bedacht darauf, dass ihnen und ihren Tieren im Straßenverkehr nichts passiert. Sie investieren viel Zeit und Geld in die Ausbildung der Pferde, um sie an den Straßenverkehr zu gewöhnen und sie dort sicher führen zu können. Obwohl rechtlich keine Fahrerlaubnis zum Gespann fahren notwendig ist, bilden sich die meisten im eigenen Interesse fort und machen den von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) anerkannten Kutschenführerschein oder ein Fahrabzeichen, welche viele Lehreinheiten und eine Prüfung bestehend aus Praxis- und Theorieteil umfassen. Denn eine allgemeine Sachkunde für einen Gespannfahrer und seine Begleitperson wird grundsätzlich vorausgesetzt, um am Straßenverkehr teilzunehmen.

Trotz
aller Vorsicht und Minimierung der Gefahrenquellen handelt es sich bei Pferden
um Lebewesen, die in unbekannten Situationen erschrecken und unvorhergesehen
reagieren können. Beispielsweise kann ein seitliches Ausweichen und damit das
Verlassen der Fahrspur nicht vollkommen ausgeschlossen werden. Das Schärfen des
Gefahrenbewusstseins im Straßenverkehr bei allen Teilnehmern sei darum oberste
Prämisse, betont PHK Schmidt und führt die erste Grundlage der Straßenverkehrsordnung
an, die auf ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht verweist. So sei es
wichtig, jederzeit im übersehbaren Bereich bremsen zu können, denn mit langsam fahrenden
Fahrzeugen müsse immer gerechnet werden.

Fahrschulen sensibilisieren
Unter
der Rubrik „Andere Verkehrsteilnehmer“ wird das Verhalten gegenüber Reitern und
Gespannen auch in Fahrschulen gelehrt. Heinz Schötz legt als Fahrlehrer seit
vielen Jahren ein besonderes Augenmerk darauf, zumal im Umkreis einer Pferdestadt
wie Bad Kötzting auch ständig damit gerechnet werden müsse. Ebenso Stefan
Schmidt von der gleichnamigen Fahrschule, wobei er aber zusätzlich Tipps für
die Kutschenfahrer gibt, um Missverständnisse zu vermeiden. Er bedauert, dass
Fahranfänger oft über wenig Einschätzungsvermögen verfügen, was andere
Verkehrsteilnehmer und auch das eigene Fahrzeug angeht. Erst kürzlich habe er
eine Situation korrigieren müssen, bei der sein Fahrschüler eine Kutsche
überholen wollte, in der Meinung, die Gespannfahrerin wolle ihn vorbei winken.
Tatsächlich hatte sie aber vorschriftsmäßig das Handzeichen zum Linksabbiegen
gegeben. Schmidt empfiehlt deshalb den Kutschern, eine Winkerkelle zum
eindeutigen Anzeigen der Richtungsänderung zu nutzen.
Noch besser wäre eine elektrische Beleuchtungsanlage für die Kutsche, die zwar vorgeschrieben bei Dämmerung, Dunkelheit oder wenn die Sichtverhältnisse es sonst erfordern, bei guten Sichtverhältnissen aber keine Pflicht ist. Diese Anlagen sind schon für etwa 300 Euro zu bekommen und haben nach vorn mindestens eine Leuchte mit weißem Licht und nach hinten mindestens eine Leuchte mit rotem Licht, die nicht mehr als 1,5 m über der Fahrbahn angebracht sein dürfen. Zusätzlich verfügen sie über ein Blinkersystem. Die Mindestanforderungen an jede Kutsche oder Wagen gibt die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) unter §66a an. Sie schreibt zwei rote Rückstrahler vor, während die Seiten der Fahrzeuge mit mindestens je einem gelben Rückstrahler ausgerüstet sein müssen.
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StVZO §66a Lichttechnische Einrichtungen
Natürlich muss jeder Gespannfahrer körperlich und geistig fit
sein, um jederzeit auf sein Gespann sicher einwirken zu können, was auch
Trunkenheitsfahrten ausschließt. Wer eine Pferdekutsche führt, darf nicht mehr
als 1,1 Promille Alkohol im Blut haben. Er gilt dann als absolut fahruntüchtig
und bewegt sich im Bereich einer Straftat. Ein Pferd sei grundsätzlich
zu keiner angemessenen Eigenreaktion fähig, sondern verlasse sich auf den
Fahrer, urteilte das Oberlandesgericht Oldenburg dazu erst 2014.

Grundvoraussetzung für jede Kutschfahrt sind eine zuverlässig funktionierende Bremse am Gefährt und ein intaktes, einwandfreies und gut passendes Geschirr und Zaumzeug für die Tiere. Sicht und Gehör des Gespannfahrers dürfen niemals eingeschränkt sein. Nicht nur für ihn und seine Tiere, sondern auch für die Ladung und Besetzung der Kutsche ist der Kutscher verantwortlich, wobei die Verkehrssicherheit darunter niemals leiden darf.
StVO § 23 Sonstige Pflichten von Fahrzeugführenden
Das Gefährt muss
stets sicher lenkbar sein, was einen Gebrauch von Zupfleinen, auch Stoßzügel
genannt, grundsätzlich ausschließt. Diese Leinenführung war und ist bei Wald-
oder Feldarbeiten üblich und sinnvoll, im öffentlichen Straßenverkehr aber
verboten.

Bei Wald- und Feldarbeiten ist der Stoßzügel sinnvoll, im Straßenverkehr aber verboten.
Werden die vorgeschriebenen Punkte beachtet, steht einer Kutschfahrt im Straßenverkehr nichts mehr im Weg. Entgegen den Behauptungen von Tierrechtsorganisationen, Arbeit wäre für Pferde Quälerei, ist es für deren Gesunderhaltung sogar zwingend notwendig, dass sie regelmäßig bewegt werden. Ihre Halter würden sich jedoch wünschen, dass ihnen von dem ein oder anderen Verkehrsteilnehmer mehr Rücksicht entgegengebracht wird, erklären die beiden Vollblutrosserer Andreas Vogl und Hans Hofmann. Dichtes Auffahren, Drängeln, Aufheulen lassen des Motors, oder gar Hupen bringen Unruhe und können Pferde verunsichern. Beim Überholen sollte auf genügend Seitenabstand von mindestens zwei Metern geachtet werden, während der Überholvorgang selbst ruhig und gleichmäßig vonstattengehen sollte. Das Einscheren vor den Pferden sollte weit genug vor diesen geschehen, am besten erst, wenn das gesamte Gespann im Rückspiegel zu sehen ist. Auf das Überholen rechts ist grundsätzlich zu verzichten. Auch im Gegenverkehr sollte die Geschwindigkeit angepasst und ein Gespann in angemessenem Tempo passiert werden.
Vor allem für junge, unerfahrene Pferde sei die Ausbildung nicht immer einfach im heutigen, oft dichten Verkehr. Aber die Pferde sind es, die dem Menschen jahrhundertelang die Fortbewegung ermöglicht haben und heute noch im Hobbybereich oder bei Brauchtumsveranstaltungen Tausende von Menschen begeistern können. Um eine sichere Organisation bei Brauchtumsveranstaltungen gewährleisten zu können, war im Landkreis Cham stets eine gute Zusammenarbeit zwischen Behörden und Pferdehaltern gegeben. Dabei setzen wir Rosserer alles daran, ihre Tiere zu Hause mit viel Engagement darauf vorzubereiten und bei Festzügen oder dem Pfingstritt weiterhin stolz präsentieren zu können.
